Der Tag, an dem Ivar Buterfas-Frankenthal seine Kindheit verlor

Gegen das Vergessen

Als Ivar Buterfas-Frankenthal 1933 als Halbjude in Hamburg auf die Welt kam, stand seine Kindheit unter keinem guten Stern. Die Nationalsozialisten bestimmten bereits die Stimmung im Land und hatten mit der Hetze gegen Demokraten, gegen die jüdische Bevölkerung, gegen Menschen, die nicht in ihre Ideologie passten, begonnen. So ganz verstand das Kind Ivar noch nicht, was da vor sich ging. Vielmehr wollte es die Uniform der Hitlerjugend tragen, dazugehören. Aber schon bald sollte der Junge mit aller Brutalität zu spüren bekommen, dass er aufgrund seiner Religion niemals dazugehören durfte. 1938, kurz nach der Einschulung in die Schule Rhiemsweg, befand er sich mit den anderen Kindern auf dem Schulhof. Alle sangen Hymnen, die den Führer verherrlichten, auch Ivar Buterfas sang mit. Dann wurde er herausgerufen, als Jude beschimpft, getreten. Ältere Schüler brannten ihm mit einer Zigarette ein Loch ins Bein, fesselten ihn, bauten eine Art Scheiterhaufen, zündeten Papier unter seinen Füßen an. Wäre die Schwester nicht von der besorgten Mutter geschickt worden, hätte er größeren körperlichen Schaden genommen. An jenem Tag, so Buterfas, verlor er seine Kindheit. Bis heute verfolgen ihn die Dämonen jener Zeit im Traum – jeden Tag.

Es war Ivar Buterfas-Frankenthal eine Herzensangelegenheit, an diese Schule zurückzukehren und vor Kindern und Jugendlichen, die diese Schule heute besuchen, von den Grausamkeiten, die ihm widerfuhren, zu berichten. Leidenschaftlich erzählt er von seinen Erfahrungen, von der Vergangenheit. Einen besonderen Tag hat er sich dafür ausgesucht, am 27. Januar 2020 jährt sich die Befreiung von Auschwitz zum 75. Mal. Dieser Vortrag, sein 1505., sollte auch sein letzter sein. Der Träger des Bundesverdienstkreuzes und des Weltfriedenspreises spricht über eine Stunde vor etwa 70 Schülerinnen und Schülern der Stadtteilschule Horn und anderen geladenen Gästen. Zuvor haben alle Anwesenden der Opfer des Nationalsozialismus in einer Schweigeminute gedacht. Die anschließenden Fragen hört sich Buterfas, der von seiner Frau, seinen Kindern und Enkelkindern begleitet wird, interessiert an und beantwortet sie geduldig. Immer wieder verdeutlicht er die Bedeutung des Erinnerns, ohne dabei den Nachkriegsgenerationen Schuld zuzuweisen. Aber man dürfe diese Zeit nicht dem Vergessen überlassen, gerade angesichts der Ereignisse von Halle und dem Mord am CDU-Politiker Walter Lübcke. Die Bedrohung sei akut und, so der Appell an die jungen Menschen im Raum, man dürfe nicht wegschauen, damit sich der Nazi-Terror nicht wiederhole.